Illustrationen und Texte Jasmin Sturm

Texte

Hier zeige ich dir eine Auswahl meiner Texte; die immer auch zu einer Illustration gehören.

Queer Lights

Diversität in allen Farben des Lebens feiernd.
Das bin ich, das ist Farbflausen - und es war eine Entwicklung bis hin zu dem Punkt, das nicht nur eher implizit, sondern sehr explizit zu tun.
Zögern. Hadern. Ausloten. Weil ich Menschen nicht verschrecken, sondern achtsam mitnehmen wollte. Und auch, weil ich Angst hatte. Zu oft habe ich erlebt, dass der mir selbst innewohnenden Vielfalt mit Abwertung begegnet wurde.
Aber ich bin bunt. Farbflausen ist es. Diversität in allen Farben des Lebens feiernd.

„Muss es so offensiv divers sein?“, werde ich manchmal gefragt.
Und wo ich mich vor einigen Jahren von dieser Frage hätte verunsichern lassen, kann ich in großer Ruhe und Klarheit antworten: Ja. Und wie sehr es das sein muss.
Ich möchte als Person und mit meinem Unternehmen sicherer Ort sein. Menschen sollen keine Angst haben, mit mir in Kontakt zu sein. Alle Farben des Lebens zu malen, ist nur möglich, wenn ich keine davon ausspare.

Diversität unnötig finden zu können, ist ein krasses Privileg.
Mit der eigenen Arbeit sichere Räume schaffen zu können, ist es auch.
Und der Wunsch, dies zu tun, ist die DNA von Farbflausen; Herzensanliegen von mir.

Juni ist jedes Jahr Pridemonth-Zeit.
Dieses Jahr wird es einen Farbflausen-Pridemonth geben.
„Queer Lights“ heißt er und ich mach darin das, was ich gut kann: Vielfalt feiern, über Lichter schreiben, warmweiche Illustrationen zu euch schicken.
„Queer Lights“ ist nicht laut, sondern zaghaft. Sanft. Leise lächelnd. Müde, auch. Leuchtend. Lila.

Ich wünsche mir, denjenigen, die nach „muss es so divers sein?“ fragen, die Hand zu reichen. Eine Weichheit für andere Lebensrealitäten anzubahnen.
Und ich wünsch mir eine warmlilane Umarmung für diejenigen, die zart Regenbögen malen. Die den Pridemonth nicht nur proud und loud erleben, sondern vielleicht sehr viel Gleichzeitigkeit fühlen. Schönheit. Fragen.

You are safe with me.
Schön, dass wir da sind.
Lasst uns Diversität in allen Farben des Lebens feiern.

 

„Queer Lights“ gibt es auch als Sticker bei mir im Shop.



Du bist nie zu viel.

Du bist nie zu viel.
Nie zu intensiv.
Nie zu emotional.
Nie zu bedürftig.
Nie zu kompliziert.
Nie zu liebevoll.
Nie zu laut.
Nie zu viel.

Und wer dir etwas anderes sagt, meint vielleicht eigentlich, dass nicht du zu viel bist, sondern andereszu wenig:
Zu wenig Ressourcen vielleicht; zu wenig Empathie, zu wenig Raum. Zu wenig Wissen, Anerkennung oder Hilfe.

Das ist nicht deine Schuld. Und du musst nicht allen gefallen.
Du
bist nie
zu viel.

Diese Postkarte mit Text ist Teil von meiner Kunstbox "Löwenzahnmut". Du findest sie bei mir im Shop.

Küchentischgespräch

Die Ambiguitätstoleranz sitzt mit mir am Küchentisch, zieht meine Teetasse zu sich herüber und blickt mich stumm an. Ich hatte sie nicht eingeladen.

„Was machst du hier?“, brumme ich und beginne, die Spülmaschine auszuräumen.

„Ich hab gesehen, dass es nicht einfach war für dich in der letzten Zeit“, sagt sie leise.

„Was war nicht einfach?“ Ich runzle die Stirn.

„Naja“, die Ambiguitätstoleranz nimmt einen Schluck von meinem Tee, „du hast gemerkt, dass das Leben ziemlich komplex ist, oder? Und dass es manchmal keine einfachen Antworten gibt. Du hast Gegensätze aushalten müssen. Sich widersprechende Bedürfnisse und Perspektiven. Du hast manche deiner Prinzipien neu gedacht.“

Ich muss schlucken. „Aber“, entgegne ich, „aber das ändert sich doch wieder, oder? Es wird doch wieder so einfach, wie es mal war?“

Die Ambiguitätstoleranz schüttelt den Kopf. „Nein.“ Sie macht eine Pause. „Nein, das wird es nicht. Das Leben ist zu komplex für einfache Antworten. Und deswegen bin ich zu dir gekommen. Ich hab dir nämlich was mitgebracht.“ Sie kramt in ihrer Hosentasche zwei kleine Worte hervor und reicht sie mir. „Ein und gleichzeitig.“

Ich blicke sie irritiert an. „Ein und gleichzeitig?“

Sie lächelt. „Ja. Denn Ambiguitätstoleranz gibt dir ein und gleichzeitig, wo zuvor ein aber war. Sie schenkt dir ein ‚sowohl als auch‘, wo du zuvor nur ein ‚entweder - oder‘ hattest.“

„Das klingt sehr anstrengend“, sage ich.

„Ja, zuerst schon. Und unperfekt, ich weiß. Aber Ambiguitätstoleranz kann auch so frei machen. Sie schafft Graustufen und Regenbögen. Sie ermöglicht Frieden, ohne es sich zu einfach zu machen.“

Ich spüre das und gleichzeitig in meiner Hand. Es fühlt sich gut an.

 

Diesen Text findest du unter anderem als Postkarte in meinem Shop. Rund um das Thema Gleichzeitigkeit habe ich ein ganzes Buch geschrieben: „und gleichzeitig… Eine Liebeserklärung an zwei Worte, die das ganze Leben umspannen."

 

Außenbeleuchtung

Ich steh hier
Leitersprossen unter meinen Füßen
Bohrmaschine in meiner Hand
Schwindel in meinem Bauch
Klopfen in meinem Herz
Höhenangst.

Schraube für Schraube
bringe ich sie an
Außenbeleuchtung
hellwarmgelb
weithin sichtbar
Spotlight auf meine Tür, die offen steht.

Und ich ahne
was sie sagen
man könne es auch übertreiben
ob das wirklich nötig sei
von Lichtbelästigung der Nachbarhäuser
und ob ich wissen würde, wie gefährlich offene Türen seien.

Ich könnte erklären
dass ich vor allem weiß, wie gefährlich geschlossene Türen sind
und was fehlendes „you are safe with me“ bedeutet
ich könnte erzählen
von sicheren Räumen
nicht aus Stein, sondern aus Halt-ung.

Aber heute brauche ich meine Kraft
für Füße auf Leitersprossen
für Bohrmaschinen in meiner Hand
für Schwindel in meinem Bauch
für Klopfen in meinem Herz
Mutausbruch.

Und als du
schließlich vor mir stehst
sagst du lächelnd:
Dein Licht
war weithin sichtbar
wie schön ist das.

Wie sehr brauchen wir es
nicht mitgemeint zu sein, sondern gemeint
nicht erklären zu müssen, sondern verstanden zu werden
nicht Sensation, sondern Normalität zu verkörpern
kein „trotzdem“
sondern ein „genau so“.

Ich steh hier
lass die Beleuchtung an
und meine Tür offen
halte bedingungslos diesen Raum
und heiß dich willkommen
du bist sicher bei mir.

Ein Text aus meiner „Queer Lights“-Reihe.

Ich seh dich

Hey du
Ich seh dich

Wie du in einem dunklen Tal läufst und das Gefühl hast, nie wieder Licht zu sehen.
Wie du Angst hast vor der Unwägbarkeit des Lebens und der Verletzlichkeit, die Liebe mit sich bringt
Wie du einen Schritt nach den Anderen setzt und immer gerade so Kraft für diesen einen hast.

Ich seh dich. 

Und die Leute sagen: Es ist ganz einfach 
Du musst nur dran glauben und alles wird sich finden
Sie sagen
Mach Limonade aus den Zitronen des Lebens
Sie sagen
Alles hat einen Sinn, du wirst noch dankbar sein 

Aber ich seh dich
Wie du läufst im dunklen Tal und doch nur
Einmal wieder weiches Gras unter den Füßen spüren möchtest
Die Unbeschwertheit atmen
Dich in Zuversicht baden

Ich seh dich
Und ich weiß, dass es so schwer ist, manchmal
Das Leben
Und was es mit sich bringt
Ich wünschte, ich könnte dir sagen 
„Es ist ganz leicht. Du musst nur dran glauben.“

Aber manchmal ist Menschsein wohl einfach, die Fragen des Lebens aushalten zu müssen
Keine leichten Antworten zu haben
Und ich wünsch dir, dass du dabei nicht allein bist.

Ich seh dich.

Und ich komm runter in dein dunkles Tal
Und bring dir eine Kerze mit.
Sie ist klein
Aber sie leuchtet.
Sie leuchtet.

______
Text und Bild sind aus „Hoffnung, die leuchtet“.
Du findest beides auch als Postkarte bei mir im Shop.

Hoffnung gibt mir das Unbequeme

Hoffnung gibt mir das Unbequeme.
Wenn wir uns füreinander einsetzen; auch, wenn es uns anstrengt.
Wenn wir hinter unseren Werten stehen; auch, wenn es uns nicht beliebt macht.
Wenn wir einander zuhören; auch, wo es ungemütlich ist.
Wenn wir solidarisch sind mit denen, die es brauchen; auch, wenn es uns etwas kostet.
Wenn wir Konflikte bereinigen, auch dann, wenn es anstrengend ist.
Wenn wir Farbe bekennen; auch dort, wo die Dinge in Brauntönen gefärbt sind.
Wenn wir uns hinterfragen (lassen); auch dann, wenn es am Weltbild rüttelt.
Wenn wir Grenzen respektieren; auch da, wo wir sie gern überschreiten würden.
Wenn wir Schmerz miteinander aushalten; auch, wenn es wehtut.
Wenn wir Müll aufsammeln; auch, wenn wir stattdessen Blumen pflücken könnten.
Hoffnung gibt mir das Unbequeme.
Und wenn wir alle miteinander unbequem sind, können wir es uns gut machen.

Dieser Text stammt aus meinem Buch "Hoffnung, die leuchtet". Du findest es bei mir im Shop.

Gutes säen

Eine kleine Frage war es, die sich im vergangenen Jahr immer wieder leise flüsternd in meinen Kopf schlich. 

„Was bringt es denn?“

Leise schlich sie sich in meinen Kopf, als ich während der Einschlafbegleitung der Kinder die Nachrichten las. „Was bringt es denn“, flüsterte die Frage, „Kinder friedvoll in eine Welt zu begleiten, die ganz und gar nicht friedvoll ist?“

Leise schlich sie sich in meinen Kopf, als ich um die Nachhaltigkeit meiner nie-gut-genugen Konsumentscheidungen rang. „Was bringt es denn“, flüsterte die Frage, „wenn du ringst, während letztlich dein Handeln ganz und gar irrelevant ist, weil es vor allem ein Umdenken von Konzernen und Gesetzen braucht?“

Leise schlich sie sich in meinen Kopf, als ich investierte in Inklusion, Gerechtigkeit und Verständigung. „Was bringt es denn“, flüsterte die Frage, „dich da so verletzlich zu machen und zu investieren, wenn am Ende doch wieder die Vorurteile stärker sind?“

Und so schlich die Frage und flüsterte und ach - übel nehmen kann ich es ihr nicht.
Manche Fragen lösen sich nicht, wenn wir versuchen, sie aus unserem Kopf zu scheuchen. Manche Fragen brauchen eine Antwort. Und eine Illustration, vielleicht.
Deswegen hab ich ihr ein Bild gemalt, meiner kleinen großen Frage: Es ist mein Jahresmotiv 2024; so wichtig ist es mir.

Liebe kleine Frage, schau her. 

„Gutes säen“, so heißt mein Bild.
Und du kannst darin lesen, was du lesen möchtest.
Vielleicht siehst du eine kleine Pflanze, die nur allzu bald von einem herannahenden Lastwagen überrollt werden wird.
Aber vielleicht: vielleicht siehst du auch etwas ganz Anderes.
Und ganz unverbindlich lass ich dir eine kleine Gießkanne da. Wer weiß, vielleicht kannst du sie ja mal brauchen.

"Gutes säen" ist mein Jahresmotiv 2024. Du findest es bei mir im Shop.

Elternschaft, Autismus und Gleichzeitigkeit

Unendlich lieben und gleichzeitig Pausen brauchen.

Sich sehr beschenkt fühlen und gleichzeitig hier und dort mit einem Alltag „anders als gedacht“ hadern.

Verständnis für überlastete Lehrkräfte haben und gleichzeitig Inklusion fordern.

Keine verbale Kommunikation benötigen, um dem Kind nah zu sein, und gleichzeitig bei jedem neuen Wort eine Party feiern wollen.

Anstrengung tragen und sich gleichzeitig wünschen, es wäre weniger anstrengend.

Wissen, dass Außenstehende es manchmal nicht besser wissen und gleichzeitig wütend über unbedachte Äußerungen sein.

Müde sein und gleichzeitig nicht abgeben können.

Kein Homeschooling machen wollen und es gleichzeitig als einzige Möglichkeit wahrnehmen.

Die Wohnung voller Gegenstände passend zum Spezialinteresse des Kindes haben und gleichzeitig nicht aufhören wollen, welche zu kaufen, weil es sich dann so freut.

Den*die Partner*in anraunzen und sich gleichzeitig bewusst sein, dass wir ein großartiges Team sind.

Bedürfnisse des autistischen Kindes wahrnehmen und gleichzeitig auch um die aller anderen Familienmitglieder wissen.

Im Frieden sein mit dem, was ist, und gleichzeitig manchmal trauern um das, was nicht ist.

Elternschaft ist voller Gleichzeitigkeit.

Elternschaft mit einem autistischen Kind ist es noch mehr.

Ihr macht es gut.

Wir machen es gut. 

Und unsere Kinder sind so toll.

Liebe zu euch!

Die Illustration stammt aus meinem und Anna Mendels Buch „Momo ist das alles viel zu viel“. Du findest es bei mir im Shop.

Konstruktive Wut

"Es ist ein Irrtum, zu denken, dass Resilienz alles bewältigen kann. Oder dass wir nur daran glauben müssten, alles schaffen zu können, damit es Wirklichkeit wird.

(…) Wir müssen nicht einfach an unserem *Mindset* arbeiten, nicht einfach ein bisschen Reframing betreiben, nicht einfach ein bisschen Rohkakao zur richtigen Zyklusphase im Mondschein trinken, damit alles ganz einfach ist.

Die Wahrheit ist: Wie viel Ambiguitätstoleranz du brauchst, wie viel Resilienz du benötigst, hat sehr viel mit deinen Privilegien zu tun. Manche Menschen benötigen letztlich sehr viel weniger „und gleichzeitig“ als andere und das ist nicht ihr Verdienst. (…)

In den letzten Jahren ist die spirituelle Blase insbesondere auf Social Media stark gewachsen. Selbsternannte spiritual Coaches verdienen ihr Geld damit, Menschen zu erzählen, sie könnten ja *alles* erreichen; jeder Mensch habe täglich 100 Energietaler zur Verfügung und könne selbst entscheiden, was er damit tut. Tatsächlich aber sind diese Energietaler nur für ziemlich privilegierte Menschen von individuellen Faktoren wie Mindsetarbeit abhängig – für die meisten Menschen sind sie es nicht. Denn Faktoren wie Armut, Krankheit, Behinderung, Neurodivergenz, Diskriminierung, pflegende Elternschaft oder viele andere Dinge reduzieren unsere Energietaler – oder, um in der Spoon Theory zu bleiben, die Energielöffel, massiv. Und zu sagen, das wäre anders, ist nicht nur toxisch und gefährlich, sondern verschiebt das Problem weg von systemischer und struktureller Ebene hin zu „selbst schuld, wenn deine Energietaler nicht reichen“.

„Toxic Positivity“ nennen wir diese Narrative von „du musst einfach positiv denken“,  „fokussiere dich auf das, wofür du dankbar sein kannst“ oder „komm aus deiner Opferrolle raus und hör auf, zu jammern“. 

Das perfide ist, dass diesen Sätzen natürlich in gewisser Weise ein wahrer Kern innewohnt. Denn ja: Optimismus ist ein Resilienzfaktor, Dankbarkeit etwas Gutes und es kann viel Kraft freisetzen, aus einer passiven in eine aktive Rolle zu kommen. Aber Missstände zu leugnen und Lösungen auf individueller Mindsetebene zu propagieren, ist Gaslighting in höchster Form. Selbstoptimierung hat ihre Grenzen. Und wir müssen das anerkennen."

 

Dieser Text ist ein Ausschnitt aus meinem Buch "und gleichzeitig...", das du hier findest.

Jungentier oder Mädchentier?

„Für einen Jungen oder ein Mädchen?“

Sie schaut ihn erwartungsvoll an.
„Ehm. Ist doch egal, oder?“ Er runzelt die Stirn.
„Ne. Ich muss wissen, ob es für einen Jungen oder ein Mädchen ist!“, sagt sie und hält die Liste mit benötigten Schulutensilien vor seine Nase, die er im Laden abgegeben hat.
„Aber es sind doch Schulsachen!“ Er versteht nicht, worauf sie hinaus will. „Also; Stifte und Umschläge und Hefte; ist doch total egal, ob für einen Jungen oder ein Mädchen…?“
„Nein“, sagt sie, „die Hefte! Da muss ich ja wissen, welches Motiv!“
„Was mit Tieren vielleicht einfach? Außerdem sind die Hefte doch eh unter den Umschlägen gar nicht sichtbar.“
„Ok. Jungentiere oder Mädchentiere?“
Er atmet.


„Er liebt Delfine.“

______________
Regelmäßig bekomme ich Anfragen, ob ich das ein oder andere meiner Motive nicht auch noch passender für Jungen oder passender für Mädchen illustrieren könne.
Und - nein, das kann ich nicht. Und nicht nur deswegen nicht, weil ich immer noch nicht herausgefunden habe, ob ein Delfin nun ein Jungen- oder Mädchentier ist.

Meine Kunst denkt nicht in binären Kategorien, sondern soll Identifikationsangebote für ALLE Kinder schaffen.
Und wenn ihr mich um eine Empfehlung aus meinem Shop für euer Kind bitten würdet, würde ich nicht nach Junge oder Mädchen fragen, sondern nach seinen Interessen und Themen; nach dem, was es beschäftigt und welche Bedürfnisse es hat; nach dem, was es lustig oder schön findet.
Und na klar: Delfine gibts auch. Die hat Miniflause gemalt - ziemlich fernab von Mädchen - und Jungstieren. 💜

 

Dieser Text ist ein Ausschnitt aus meinem Buch "Und gleichzeitig...", das du hier findest.

Was Kunst tut

„Oh, das ist ja zauberhaft.“
„Die Stimmung holt mich grad total ab.“
„Ich muss unbedingt auch mal wieder Musik machen.“
„Ich stell mir vor, dass es meine verstorbene Katze ist und dass ich sie besuchen und nochmal streicheln kann.“ (💔)
„Ist das schön! Ich hör richtig die Musik in der Luft.“
„Wir sind gerade im Wochenbett und es ist so, wie ich es mir immer gewünscht habe. Fühlt sich an wie dein Bild…“
„Was sind das für wunderschöne Farben.“
„Ich sehn mich nach genau diesem Gefühl.“
„Als ob du das Bild für mich persönlich gemalt hättest. Das brauchte ich heute.“

Das sind alles Nachrichten, die ich gestern von euch bekommen habe, nachdem ich diese Illustration gezeigt hatte.
Nachrichten, die mich so berühren:
Denn sie zeigen, was Kunst tut.
Was meine Kunst tut. (🥲)

Kunst ist eine Einladung. Eine Einladung von mir an euch; letztlich vom Bild selbst an euch: Es euch zu eigen zu machen. Eure eigenen Geschichten damit zu haben, fühlen, erzählen, wünschen, weitertragen.
Und sie alle sind wahr.

„Bist du das auf dem Bild, Jasmin?“; wurde gestern auch ein paar mal gefragt.
Ja. Manchmal bin ich das. Und manchmal brauch ich das. Und manchmal fühl ich das. Und manchmal sehn ich das herbei. Und manchmal schenk ich das dir, vielleicht: Mit meiner Kunst. Wie wunderschön. 💜
 
Die Illustration stammt aus „Hoffnung, die leuchtet“. Du findest das Buch bei mir im Shop.

Keine Einladung

Online öffentlich stattzufinden, bedeutet manchmal mehr Gleichzeitigkeit, als ich tragen möchte.

Es ist „Dein Insta Account ist ein Safe Space für mich; ich bin so gern hier“ und „Ich hab einen Screenshot von deiner Story gemacht, die ich nicht mochte, und den in die WhatsApp-Gruppe mit meiner Freundinnen geschickt“.

Es ist stattfinden dürfen und stattfinden müssen.

Es ist „Ich liebe es, wie ihr mit meiner Kunst in Resonanz geht“ und „an Tagen, auf denen ich nicht auf Social Media aktiv bin, hab ich 90% weniger Umsatz“.

Es ist Bewertschätztwerden und Bewertetwerden.

Es ist Authentizität und Privatsphärewahren.

Es ist anstrengend, manchmal.
Ich glaube, von außen ist oft nicht wahrnehmbar, wie viel es kostet, öffentlich stattzufinden; irgendwo zwischen unendlicher Liebe zu meiner Kunst; Nachrichten von N@zis in meinem Postfach; großer Wertschätzung für euch als Community und übergriffigen Kommentaren (ja, mein B12-Spiegel ist okay!).

„Eigentlich wollte ich doch nur malen und schreiben“, denke ich manchmal, „und jetzt muss ich all die Dinge drumherum tun, damit euch meine Kunst erreicht“.
Ein Teil des Pakets, letztlich.
Eine Chance, eigentlich.
Ein Druck, oft.
Ein Privileg , auch.

Eine Einladung, Grenzen zu überschreiten: Nie.
 

Die Illustration stammt aus meinen „Baumbotschaften“.

Liebe und Reibekuchen

Ich saß bei ihr in der Küche und war sehr wütend.
„Ihr habt euch doch so lieb“, sagte sie und stellte die Reibekuchen auf den Tisch. „Was könnt ihr tun, um wieder gut miteinander zu sein?“

Ich rief sie von der Schule aus an und fragte, ob sie mich wegen Bauchweh abholen könnte.
„Du hast gar kein Bauchweh, stimmt’s?“, sagte sie, als ich bei ihr im Auto saß. „Du musst das nicht erfinden, damit ich dich abhole. Es ist doch ok, einfach mal so eine Pause zu brauchen.”

Ich verlor den Haustürschlüssel und erwarte, dass sie schimpfen würde.
„Sowas passiert einfach“, sagte sie und nahm mich in den Arm. „Wir finden eine Lösung.“

Ich heiratete und es war ganz anders, als sie es für sich selbst entschieden hätte.
„Das wird schön“, sagte sie, „ich bin für dich da.“ Sie wurde meine Trauzeugin.

Ich kaufte mir ein Buch, um Erinnerungen und Gespräche mit ihr festzuhalten.
„Was wünschst du dir für die Welt, Oma?“ fragte ich sie, als wir auf Seite 29 waren. Dort hab ich ihre Antwort aufgeschrieben: „Dass alle Menschen in ihrem Leben so viel Verständnis, Vergebung, Hilfe und Liebe erfahren, dass keiner mehr einen Krieg anfängt. Mein Herz schmerzt beim Gedanken, dass das nur ein Wunsch bleiben wird.“

2017 ist sie gestorben. An Tagen wie heute wünschte ich, sie wäre unsterblich und könnte die Geschicke dieser Welt lenken. Liebe und Reibekuchen.

My Biggest Hope

My biggest Hope
is that one day
my Kids look back on their childhood
and know that their mom
didn‘t just love them.
She
truly
enjoyed
them.

Diese Sätze sprangen mir heute Morgen entgegen, als ich Instagram öffnete.
Ein Reel-Trendsound.
Ich musste schlucken.
Next Level Mutterschaft also: die Kinder nicht NUR lieben, sondern sie wahrhaft zu genießen. Und zwar so intensiv, dass sie sich dessen später im Rückblick auf ihre Kindheit gewiss sind. Ist das meine biggest hope?
Toxische Mutterideale at it‘s best: dieser Reel-Trend wird unterlegt mit Videos von Kindern, deren perfekt drapiertes Abendessen auf einer Duplo-Eisenbahn zu ihnen gefahren kommt. Von Kindern, die in einem aufwändig dekorierten Designerzimmer schlafen. Von kichernden Kindern im Urlaub am Strand.
Puh.

Meine Kinder sind die bezauberndsten Wesen überhaupt. Ich lieb sie mehr als alles und würde sie für nichts auf der Welt hergeben.
Und ja, ich genieße sie: Schlaftrunken kuschelnd an meinem Hals, glücklich im Wald, miteinander Geheimnisse ausheckend.

Aber nein, ich genieße sie bei Weitem nicht immer. Denn es ist anstrengend und ja, wie hart Elternschaft dich an deine Grenzen bringen kann, wie krass 24/7 Fremdbestimmung sein kann und wie unwägbar Familienleben ist, das hat mir vorher niemand gesagt!

Ich genieße es nicht, permanent Essen zuzubereiten (die Spülmaschine läuft mindestens 3 mal täglich) und serviere es nicht auf der elektrischen Duplo-Eisenbahn.
Meine Kinder schlafen nicht im perfekt aufgeräumten Designerzimmer, sondern in Ikea-Betten von eBay Kleinanzeigen. 4 kleine Menschen in den Schlaf zu begleiten, ist Höchstleistung.
Und kichernde Kinder im Urlaub am Strand? Haben wir auch manchmal. Bis eins der Kinder einen Zusammenbruch hat, das nächste weint und die beiden Kleinsten lebensgefährlichen Unfug machen.

Ich liebe meine Kinder. Aber nein. Ich genieße sie nicht immer, die Mutterschaft.

Und das ist okay. Normal.

My biggest Hope
is that one day
my Kids look back on their childhood
and know that their mom loved them and did her best.
That she was gracious with herself.
And that because of that, they can be gracious with themselves.
Because they are good enough.
Always.

Hoffnung ist Verbindung

Früher dachte ich, der Hoffnung würde immer ein „weil“ vorangehen. Und manchmal ist das wohl so. Und wir hoffen, WEIL es einen guten Grund gibt.

Aber in den letzten Jahren habe ich verstanden, dass die Hoffnung nicht nur mit dem „weil“ verbandelt sein kann, sondern auch mit dem „obwohl“. Dass ich hoffen kann, OBWOHL ich mich nicht der Illusion heiler Beständigkeit hingebe.

Mehr noch: Manchmal ist sie trotzig, die Hoffnung. Und ein TROTZDEM eilt ihr voraus.

Und schließlich wohnt Hoffnung für mich im UND. Im Gleichzeitigen.

 

WEIL, OBWOHL, TROTZDEM, UND: alle vier sind Konjunktionen. Verbindungswörter.

Hoffnung ist Verbindung. 

Ein Text aus meinem Buch „Hoffnung, die leuchtet“ - mit Bezug zu einem anderen meiner Bücher, das sich ganz und gar dem Thema „und gleichzeitig…“ widmet.

„und gleichzeitig…“

„ (…) Und ja: es scheint zunächst verlockend, eindeutig beurteilen zu können, was Richtig und Falsch ist, was Sonne und Regen, was „die“ und „wir“. Unser menschliches Bedürfnis nach Zugehörigkeit, nach Denksystemen, nach einfachen Antworten, ist groß.

Doch langfristig und allgemeingültig tragfähig sind diese Antworten meist nicht.

 

Es ist eine einzige Geschichte von bröckelnder Eindeutigkeit, dieses Leben.

Eine Geschichte von unterschiedlichen Perspektiven, von Komplexität und Mehrdeutigkeit.

Eine Geschichte von Gleichzeitigkeit.

Eine Geschichte davon, dass es allermeistens mehr gibt als ein „entweder – oder“; „ganz oder gar nicht“.

Dass es allermeistens mehr gibt als nur Sonnenschein oder Regen. Und dass dort, wo sie sich treffen; die vermeintlichen Gegensätze; dort, in der Verbindung, der Regenbogen wohnt: das „und gleichzeitig“. Zufall, dass Regenbögen auch Zuversichtssymbol sind? Zufall, dass Regenbögen für mich persönlich so viel bedeuten? Ich denke nicht.

 

Diese beiden Worte, das „und“ ebenso sehr wie das „gleichzeitig“, haben meine vergangenen Jahre so sehr geprägt wie wohl keine anderen. Und haben mich so sehr geprägt wie wohl keine anderen.

Insbesondere in meiner Elternschaft, ganz besonders in meiner pflegenden Elternschaft als Mutter eines behinderten Kindes, musste die Eindeutigkeit an vielen Stellen der Gleichzeitigkeit Platz machen. Viel mehr, als ich es je für möglich gehalten hatte. 

(…)

Und mit all diesen Gleichzeitigkeiten hielt auch das „und gleichzeitig“ Einzug: musste es. Denn es verhinderte das Aufeinanderkrachen und damit verbundenen Zerbruch und ermöglichte eine Integration beider Pole.

Liebe und gleichzeitig Erschöpfung. Kein entweder - oder.

Das hat mein Denken und meine Wahrnehmung der Welt ganz grundlegend verändert. 

Mich weit und weich gemacht. Dafür, dass es oft anders kommt als gedacht. Dafür, dass Leben letztlich oft in der Gleichzeitigkeit stattfindet. Und es oft keine einfachen Antworten gibt.

 

2021 veröffentlichte ich mit Farbflausen schließlich einen Text zur Ambiguitätstoleranz, indem ich sie als das „sowohl als auch des Lebens“ – letztlich „und gleichzeitig“ - beschrieb. (…)

Es war mein erster Text zu diesem Thema

Selten hatte ich bis dahin zu einem Beitrag so viel Feedback bekommen – von so vielen Menschen, die ebenso empfanden - und seitdem waren das „und gleichzeitig“ und ich auch nach außen hin untrennbar miteinander verbunden. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie viele Texte und Illustrationen es waren, die ich dazu schrieb und malte – sehr viele.

(…)

 

Menschen begannen, mich auf Social Media zur Gleichzeitigkeit zu verlinken, ich bekam Anfragen für Vorträge zum Thema „und gleichzeitig“ und irgendwie – ja, irgendwie kommte das so, wie eins meiner Kinder zu sagen pflegt. Die Dinge verselbstständigten sich.

 

Es verwundert vielleicht gar nicht mehr, dass ich auf meinem linken Unterarm ein Tattoo habe, das „und gleichzeitig…“ als Kreis zeigt.

Nein, das verwundert wirklich nicht mehr.

 

Ebenso wenig verwundert wohl, dass ich nun hier im Zug sitze und an einem ganzen Buch schreibe, das eine Liebeserklärung an diese beiden Worte ist.

„Braucht es das denn“, könnte man vielleicht fragen, „wo du doch schon so viel dazu veröffentlicht hast?“

Und ja: Das braucht es. Oh, wie es das braucht.

Denn in „und gleichzeitig“ steckt so viel mehr, als auch nur ansatzweise in einem kurzen Text darstellbar ist. Damit wir in der Tiefe verstehen können, wie viel Schatz, Schlüssel und Schönheit in diesen beiden Worten liegt; auf welchen Ebenen sie funktionieren und welche Wirkmechanismen sie entfalten können – und was dazu nötig ist –, braucht es Zeit und Raum und Differenzierung: braucht es ein Buch. Dieses Buch.

 

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Beschäftigung mit – und das Einüben von – „und gleichzeitig“ ein unglaublich wichtiger und letztlich unerlässlicher Prozess ist, wenn wir als Einzelne und auch als Gesellschaft gut miteinander leben möchten.

 

Denn „und gleichzeitig“ ist zentraler Schlüsselfaktor, um mit der Gleichzeitigkeit und Komplexität des Lebens umgehen zu können.

Das gilt sowohl für den Umgang mit nicht-selbstgewählter Gleichzeitigkeit, also für den Umgang mit den Dingen, denen Gleichzeitigkeit unumgänglich innewohnt und für die wir das „und gleichzeitig“ benötigen –

als auch für „und gleichzeitig“ als eine aktive Suche nach selbstgewählter oder selbstgesuchter Gleichzeitigkeit, bei der wir „und gleichzeitig“ nutzen können, um andere Perspektiven, Ressourcen oder Kompetenzen zu erschließen.

 (…)

[Es] ist eine so, so große Aufgabe, in einer Welt zu leben, die derart viel Gleichzeitigkeit mit sich bringt."

Eine Leseprobe aus meinem Buch „und gleichzeitig… Eine Liebeserklärung an zwei Worte, die das ganze Leben umspannen.“ Du findest es bei mir im Shop.

Weihnachten

Vor ein paar Wochen standen wir an der Supermarktkasse, unser mittleres Kind und ich. Er fuhr mit der Hand über die Rollen, die angebracht waren, um bereits gescannte Waren weiter zu befördern, damit sie eingepackt werden können. Immer und immer wieder rollte er mit der Hand darüber, schloss die Augen und genoss, wie es sich anfühlte. Beobachtet von der Kassiererin, die über sein Gerolle die Stirn runzelte und harte Mundwinkel bekam. 

„Hast du kein Spielzeug zuhause, dass du jetzt hier mit den Rollen spielen musst?“, fuhr sie ihn plötzlich scharf an. Noch bevor ich etwas erwidern konnte, lächelte mein Kind die Kassiererin an und antwortete freundlich „Ja, doch, zuhause hab ich viel schönes Spielzeug. Hast du denn keins? Wenn du möchtest, komm doch vorbei und wir können zusammen spielen. Ich wohne in der Hausnummer 6!“

Ihr entglitten die Gesichtszüge. 

Pause.

Zögern.

„Ja, das wäre schön“, sagte sie und lächelte. 

Weihnachten. Das trotzig Hoffende. Das naiv Sanftmütige. Das waghalsig Glaubende: Dass es immer Sinn ergibt, daran zu festzuhalten, dass die Welt friedlicher werden kann. Und dass das, was ich dazu beitragen kann, nie zu klein ist, um einen Unterschied zu machen.